Freitag , 29 März 2024

Mythos Holmenkollen

Selina Juliana Sauskojus – Was dem Fußballer das Wembleystadion und dem Tennisspieler Wimbledon ist, das ist dem Skisportler der Holmenkollen. Doch was macht die Skisportstätte nahe Oslo zum Mekka des Wintersports? Kurz vor der Biathlon-Weltmeisterschaft übermorgen ist es an der Zeit dem Mythos ein wenig auf die Spur zu kommen.

Biathlon-Stadion am Holmenkollen von Oslo - Foto: Michel van Balkum
Biathlon-Stadion am Holmenkollen von Oslo – Foto: Michel van Balkum

Wir schreiben das Jahr 1892. Arthur Conan Doyle veröffentlicht seine ersten zwölf Kurzgeschichten über Sherlock Holmes, Grover Cleveland wird Präsident der Vereinigten Staaten und sieben Kilometer von Oslo entfernt, am Berg Holmenkollen, findet der erste Wettbewerb, eine Kombination aus Skispringen und Langlaufen (heute bekannt als Nordische Kombination), der Geschichte statt. Sieger ist der Norweger Arne Ustvedt, er springt 21,5 Meter weit. Ein großer Sprung für Ustvedt – ein noch größerer Sprung für die Sportgeschichte. Am 31. Januar 1892 begann mit diesem Wettbewerb ein Mythos, der bis heute alle anderen Skisportstätten dieser Welt überstrahlt.

Mehr als 20.000 Zuschauer zog der Holmenkollen bereits 1892 an. Heute sammeln sich bis zu 150.000 Sportfans, wenn der Holmenkollen ruft. Doch der Holmenkollen ist nicht nur der Liebling der Bevölkerung – er ist Staatsangelegenheit. 1906 wurde es zur Gewohnheit des Königshauses, einen blaublütigen Vertreter an den Start zu schicken. Selbst der König persönlich gab sich die Ehre. Bis heute ist das Königshaus bei Großereignissen prominentestens vertreten – im 21. Jahrhundert allerdings in der royalen Loge und nicht auf der Strecke.

Der Skisport ist Kulturgut bei den Norwegern. Sobald Kinder laufen können werden ihnen die Bretter unter die Füße geklemmt – logisch, dass der Stellenwert von Wintersportarten ein sehr hoher ist. Doch der Holmenkollen ist mehr als ein bloßes Kulturgut. Er ist eine internationale Hausnummer – ein Ort, der für jeden Athleten und jeden Sportfan etwas Besonderes ist.

Die große internationale Karriere begann für das Osloer Skisportzentrum 1952, als die norwegische Hauptstadt Ausrichter der Olympischen Spiele wurde. Während des Weltkrieges stand der Holmenkollen still. Sieben Jahre nach den Grauen des Krieges traten dreißig Nationen an, um sich in den Wintersportdisziplinen zu messen – es waren die ersten Spiele, die in Skandinavien stattfanden. Der Holmenkollen wurde Schauplatz der Langlauf-, Skisprung- und Kombinationswettbewerbe. Olympisch wurde Biathlon erst acht Jahre später, als lediglich der Einzelwettbewerb der Herren ausgetragen wurde.

1986 fand in Oslo erstmals die Biathlon-Weltmeisterschaft statt. Der bestimmende Athlet, der Gold im Einzel, dem Sprint und mit der Staffel holte, war Waleri Medwedzew, der für die Sowjetunion startete. 2000 bekam der Holmenkollen erneut den Zuschlag. Frank Luck und Uschi Disl waren die bestimmenden deutschen Athleten. Bronze im Massenstart gewann ein allzu bekanntes Gesicht: Ole Einar Bjoerndalen. Er ist der einzige der vielen Athleten, die in diesem Jahr in Oslo an der Start gehen, der bereits an einer Weltmeisterschaft am Holmenkollen teilgenommen hatte.

Seit dem Bau im 19. Jahrhundert durchlief der Holmenkollen immer wieder Phasen des Umbaus. Die Skisprungschanze wurde stets auf den neuesten Stand gebracht, das Biathlonzentrum und die Langlaufstrecken wurden immer wieder aktualisiert und optimiert, um absolut perfekte Voraussetzungen für die Sportler zu schaffen. All diese Modernisierungen fanden statt, ohne dass der historische Geist dieses Denkmals verloren ging. Doch es gibt nicht nur eitel Sonnenschein, was den Holmenkollen betrifft. Fast schon skandalöse Ausmaße nahm die Ablehnung der Olympischen Spiele 2022 an. Regierung und Bevölkerung waren wenig angetan von den Ausmaßen, die die Spiele mittlerweile genommen hatten. Nachdem in Sotchi mehr als drei Milliarden Euro für den Ausbau der Sportstätten in die Hand genommen wurde, war finanzieller Druck vorhersehbar – und da wollten die Norweger nicht mitziehen.

Auch wenn es schade ist, dass den Athleten die Spiele an diesem historischen Schauplatz vorenthalten werden – die Debatte um die Olympischen Spiele stellte wieder einmal heraus, was der Holmenkollen für eine Bedeutung hat. Er vereint Tradition und Moderne – aber nicht um jeden Preis. Er ist offen für Sportler und Zuschauer aus aller Welt – aber es soll um den Sport gehen, nichts anderes. Der Holmenkollen ist Kulturgut für Norwegen und so wird er behandelt, mit Respekt.

Genau deswegen ist der Holmenkollen so besonders. Zwanzig Minuten vom Osloer Stadtzentrum entfernt lebt der Sport in all seinen Facetten. Am Holmenkollen wurden Rekorde gebrochen, Höhen und Tiefen sportlicher Karrieren fanden hier ihren Schauplatz. All diese Veranstaltungen wurden getragen von größtem Respekt – dem Respekt, den Athleten anderen Athleten entgegenbringen, dem Respekt den Fans ihren Idolen entgegenbringen, dem Respekt, den die Politik dem Sport entgegenbringt und nicht zuletzt dem Respekt, den der Mensch der Natur zollt. Obwohl der Holmenkollen im Jahr Hunderttausende Gäste empfängt, die Natur um das Sportzentrum herum scheint immernoch unberührt. Damit trägt auch sie entscheidend zur Atmosphäre und dem Mythos bei.

Kein Wunder also, dass sich alle Biathleten seit langem auf diese Weltmeisterschaft freuen. Es werden spannende Wettkämpfe werden und vielleicht schreiben die kommenden zwei Wochen eine Geschichte, die zum großen Mythos Holmenkollen beitragen wird.

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